Eine kleine Nachlese zum Martinstag

19.11.2013 | Kundenservice und Verkauf

Martinssingen = Akquise? Gestern Abend war ich mal wieder bei einem Netzwerktreffen befreundeter Trainer und Coaches, unser Themenschwerpunkt war diesmal „Akquise“. Auf dem Nachhauseweg kam mir spontan der Gedanke, dass im Grunde genommen ja auch das Martinssingen eine Form von Akquise ist. Das nehme ich heute – mit knapp einwöchiger „Verspätung“ – zum Anlass für eine kleine Martinstags-Nachlese.

Bekanntlich erhalten Kinder beim Martinssingen am 11. November bzw. (in protestantischen Gegenden) Martinisingen am 10. November für ihren Gesang kleine Geschenke in Form von Süßigkeiten und Obst. Die Bedeutung dieses Brauchs scheint in den letzten Jahren etwas nachgelassen zu haben. Meine Beobachtung: Halloween läuft dem Martinstag allmählich den Rang ab. Nicht nur in der Großstadt, auch in meinem ländlich geprägten Heimatort, wie mir meine Mutter bestätigte. Sie wies mich allerdings auch darauf hin, dass es im Ort inzwischen schlicht weniger Kinder gibt als in meiner Kindheit. Die folgenden Gedanken lassen sich aber größtenteils auch auf das Thema Halloween übertragen. Ein weiteres Beispiel sind die Sternsinger in der Weihnachtszeit.

Drei Äpfel

Kinder lernen Teamarbeit, Kommunikation und Vertrieb

Wenn ich an das Martinssingen in meiner Kindheit zurückdenke, fallen mir einige Parallelen zum Thema Teamarbeit, Kommunikation und Vertrieb auf. Das Martinssingen könnte man auch als kindgerechte Form eines Kommunikationstrainings bzw. einer Vertriebsschulung sehen.

Da ist zunächst der Aspekt der Teamarbeit. Üblicherweise gingen wir in kleinen Gruppen von drei bis fünf Kindern los. Dabei waren ein paar Fragen zu klären: Gehen wir am 10.11. oder am 11.11. singen (wir waren kluge Kinder und haben meist beide Tage genutzt)? Wann gehen wir los? Wer geht mit wem? Welche Lieder singen wir und wer bestimmt das? Dürfen auch Mädchen mit? Wo gehen wir lang? Ohne es zu merken, hatten wir durchaus komplexe Teamfindungs- und Teamentwicklungs-Prozesse zu meistern, bevor wir am Abend unsere Tüten voll mit Süßigkeiten hatten.

Unsere kommunikativen Kompetenzen haben wir uns im Rahmen eines „Training on the job“ überwiegend selbst beigebracht. Es gab allerdings auch so etwas wie „Patenmodelle“ und „Multiplikatorenschulungen“, etwa wenn jüngere Geschwister oder Nachbarskinder das erste Mal mitgehen durften. Als wir selbst noch sehr klein waren, kam teilweise auch die eigene Mutter mit. Das war dann so eine Art Generationswechsel und Know-How-Transfer im Familienunternehmen.

Nicht zuletzt hatte das Martinssingen für uns auch den Charakter einer Vertriebsschulung und -erfahrung. Einerseits ging es darum, besonders lukrative Haushalte und das optimale Vertriebsgebiet zu ermitteln. Den Umgang mit Ablehnung und Mißerfolg mußten wir ebenfalls lernen (es brennt zwar Licht, aber es macht niemand auf), genauso wie den mit Wettbewerbern und Konkurrenten (es gab durchaus gefürchtete Kinder-„Gangs“ im Ort). Das Arbeiten mit Zielvorgaben (mindestens zwei Tüten voll mit Süssigkeiten!) und eine review-artige Erfolgskontrolle am Ende des Projekts haben wir natürlich auch praktiziert. Mit dem kleinen Unterschied, dass das wesentlich mehr Spaß gemacht hat als im späteren Arbeitsleben…

Schlüsselkompetenzen für das Berufsleben

Als wir endlich alle für das Martinssingen relevanten Schlüsselkompetenzen beherrschten, waren wir zu alt dafür und es wurde uncool – wir waren bereit fürs wahre (Berufs-)Leben. Also, liebe Personalverantwortliche: Wenn Sie wirklich wissen möchten, was ein Mitarbeiter oder ein Bewerber kann, fragen Sie ihn einfach, ob er als Kind beim Martinssingen dabei war. Weitere Fragen sowie teure Auswahltests oder AssessmentCenter können Sie sich dann getrost sparen…

Ein Beitrag von
Bernd Sauer

Inhaber der
VerständigungsWerkstatt